Des Kaisers Schiff
im Grafensaal

von Roland Beck

Die S.M.S. Hohenzollern – Seiner Majestät Schiff – ist in den Heimathafen eingelaufen. Seit Donnerstag kann das originalgetreue Modellbauschiff im Grafensaal der Burg Hohenzollern bestaunt werden. Gebaut und gestiftet von Klaus Soltwedel aus Hechingen-Sickingen. 

Klaus Soltwedel ist Modellbauer mit Herz und Seele. Seine Augen leuchten, wenn er von der Entstehung eines seiner Schätze erzählt. Vor allem, wenn er die Geschichte und Geschichten rund um das jeweilige Original vom Stapel laufen lässt. Zahlreiche Modellschiffe hat der Maschinenbauingenieur in den vergangenen 60 Jahren gebaut, die meisten davon im Maßstab 1:100. Frachter, Schlepper, Fischerboote, Raddampfer und Militärschiffe. Die maritime Passion wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater war U-Boot-Maschinist im Zweiten Weltkrieg.

Eine akkurate Liebe zum Detail kann Klaus Soltwedel nicht verbergen, Originalität und Maßstabstreue sind ihm wichtig. Und er fertigt so gut wie alle Teile selber an, auch wenn sie noch so klein sind. Nur in wenigen Ausnahmefällen greift er auf vorgefertigte Teile zurück, die er im Fachhandel oder bei Spezialisten bezieht.

1975, damals lebte der gebürtige Westfale noch in Ettlingen, wurde er Mitglied im renommierten Modellbauverein Rastatt. Der Club hatte just bei den Modellbau-Weltmeisterschaften in China knapp den ersten Platz verpasst, da in dessen Sammlung von Schiffen der Kaiserlichen Marine die S.M.S. Hohenzollern fehlte. Prompt trat der Verein an Soltwedel mit der Bitte heran, diese Lücke zu füllen. Soltwedel begann, nach Konstruktionsplänen, Fotos und sonstigen Dokumenten zu forschen, mit denen er einen Modellbau-Plan hätte erstellen können. Er habe viele wohlwollende und freundliche Korrespondenzen mit Museen und Archiven in ganz Europa erfahren und interessante Beschreibungen erhalten. „Irgendwann wusste ich genau, wie groß das Ankleidezimmer der kaiserlichen Kajüte war und wie viele Kartoffeln auf der Hohenzollern gebunkert wurden, aber die notwendigen Unterlagen zur Erstellung eines Bauplans blieben aus“, erinnert sich der 73-Jährige. Somit legte er das Projekt S.M.S. Hohenzollern erstmal auf Eis.

1990, Soltwedel war mittlerweile seit elf Jahren in Hechingen-Sickingen beheimatet, meldete sich das Militärarchiv Freiburg bei ihm. Sie hätten Generalpläne der S.M.S. Hohenzollern, die sie ihm zur Verfügung stellen könnten. Das Projekt nahm wieder Fahrt auf. Soltwedel konnte nun endlich den langersehnten Modellbau-Plan erstellen. Im Maßstab 1:100, den die meisten Modellbau-Kollegen in dieser Liga verwenden. Das Hohenzollern-Modell sollte also eine Länge von 1,22 Metern erreichen. Kurzerhand funktionierte er den heimischen Partykeller zur gut ausgestatteten Werkstatt um und begann zu sägen, kleben, harzen, schleifen, lackieren und polieren. „Der Rumpf aus mehrschichtigen Birken- und Buchen-Sperrholz war noch relativ einfach in der Herstellung“ erklärt der Tüftler. Doch die Aufbauten hatten es in sich. Aus 0,3 Millimeter dünnem Messingblech fertigte er Klein- und Kleinstteile an. Teilweise ließ er die filigranen Schiffsverzierungen bei einem Spezialisten in Pirmasens aus dem Blech ätzen. Die 282 Bullaugen sägte er aus 4 Millimeter dünnen Messingröhrchen. Den 3,5 Zentimeter kleinen Preußenadler, der das Heck ziert, schnitzte er aus Lindenholz. Bei der originalen Farbgebung – der Rumpf ist rot und weiß, die Schornsteine gelb – orientierte er sich an einem alten Werftmodell, das im Achilleion-Palast auf Korfu steht.

Als der Rumpf fertig war, testete Soltwedel dessen Wassertauglichkeit. Schnell wurde ihm klar, dass das Modell nicht wirklich schwimmen würde. Was aber nicht an seinen Modellbaufähigkeiten lag, sondern an der Beschaffenheit des Originals. „Als die S.M.S. Hohenzollern 27.06.1892 vom Stapel lief, hagelte es Kritik seitens der Militärs ob der Konstruktion“, lacht Soltwedel. Admiral Eduard von Knorr, einer der hochrangigsten Generäle der kaiserlichen Marine, bezeichnete das neue Prunkstück später als ein „in das Wasser gefallener Omnibus“. Das Dampfschiff war so schmal und hoch, dass es bei einem ordentlichen Seegang bis zu 33 Grad Neigung erreichte, was selbst dem hartgesottensten Seebären die Magensäfte in die Augen getrieben haben dürfte.  Auch wenn es in der Kaiserlichen Marine als Aviso – kleines Kriegsschiff zur Nachrichtenübermittlung – geführt wurde, nahm es tatsächlich nie an einer kriegerischen Auseinandersetzung teil und diente dem Kaiser hauptsächlich für Reisefahrten und Staatsempfänge, bevor es 1923 abgewrackt wurde.

Wie auch immer, 2019 vollendete Soltwedel seine S.M.S. Hohenzollern. Wie viele Stunden er in das Modell investiert hat, vermag er nicht mehr zu sagen – sicherlich aber mehr als 1000. Und wie bei den meisten seiner vorigen Modelle überlegte er nun auch hier, wem er es stiften könnte. „Ich kann ja nicht alle meine Schiffe daheim im Wohnzimmer aufstellen.“ Seine Anfrage bei der Verwaltung der Burg Hohenzollern stieß auf offene Türen. Burgverwalterin Dr. Anja Hoppe zeigte sich gleich begeistert und dankbar: „Das Kaiserschiff ist ein wunderschönes Modell, das in keiner Weise kriegerisch anmutet. Es zeigt eher den Charakter einer riesigen Luxus-Yacht aus vergangener Zeit. Das bekommt einen prominenten Platz – im Grafensaal.“ Dort kann es nun seit vergangenem Donnerstag bestaunt werden. „Das lässt vor allem die Herzen unserer kleinen und großen männlichen Besucher höherschlagen“, kann die Burgverwalterin aus eigener Beobachtung berichten.

Und was mach Klaus Soltwedel jetzt? Langeweile? Keineswegs. Er hat schon ein neues Projekt im Blick. „Ein betagter Modellbauer aus Norddeutschland hat mir angetragen, sein bereits begonnenes Modell der S.M.S. Scharnhorst fertigzustellen“, sagt der Tüftler schmunzelnd und seine Augen leuchten.